Die Sehnsucht nach den "Goldenen Zeiten"
Die schwarzen Büsten stehen schön aufgereiht im Melbourne Park, Seite an Seite. Rod Laver, Ken Rosewall, Roy Emerson, Tony Roche, Neale Fraser, die australischen Stars der Fünfziger- und Sechzigerjahre, als das Tennis von der Amateur- in die Profiära überging und Australien innerhalb von zwei Dekaden 15 Mal den Davis Cup gewann. Zwischen 1956 und 1971 kamen 48 der 64 Grand-Slam-Sieger aus Down Under. Auch Pat Rafter und Lleyton Hewitt, die beiden letzten australischen Grand-Slam-Sieger, sind am Ufer des Yarra River verewigt. Ihre Erfolge sind ebenfalls eingraviert, als Erinnerung an die guten, alten Zeiten.
Seit Hewitts Sieg in Wimbledon sind 15 Jahre vergangen. Zwar gelang Sam Stosur 2011 am US Open ein Überraschungscoup, der letzte Sieg am Heim-Grand-Slam liegt aber schon 40 Jahre zurück. Für die grossen Schlagzeilen sorgten die "Aussies" zuletzt kaum mehr. Und wenn, dann fast ausschliesslich für negative. Das jüngste Beispiel dafür lieferte der einst hoch gehandelte, im Ranking auf Platz 143 abgesackte Bernard Tomic, der sich nach dem Ausscheiden in der Qualifikation mit den Worten aus Melbourne verabschiedete, er werde jetzt seine Millionen zählen gehen.
Der "neue" Kyrgios
Auch Nick Kyrgios fiel in der Vergangenheit durch seine Eskapaden auf. Mal trat er lustlos auf und schenkte seinem Gegenüber mehrere Games, mal verliess er nach einem verlorenen Startsatz ohne Angaben von Gründen den Platz, mal beleidigte er vor laufender Kamera Stan Wawrinka und dessen Freundin Donna Vekic. Die Liste von Kyrgios' Bussen ist lang, vor gut einem Jahr wurde er von der ATP für mehrere Wochen gesperrt und in psychologische Behandlung geschickt. Nach seinem Ausscheiden in Melbourne vor einem Jahr gegen Andreas Seppi nach einer 2:0-Satzführung buhte ihn das Publikum aus.
Nun scheint der 22-Jährige geläutert zu sein. Er tritt auf und neben dem Platz anständig und freundlich auf. Nach seinen Siegen erfüllt er mit Geduld die Autogrammwünsche der überwiegend jugendlichen Fans. Wo er auftritt, wird gekreischt. Fragen, bei denen er ins Fettnäpfchen treten könnte, weicht er geschickt aus. Es scheint fast so, als könnte der Sohn eines Griechen und einer Malaysierin doch noch zu Everybody's Darling werden.
Dass Kyrgios das Zeug zum Superstar hat, ist unbestritten. "Er ist einer der wenigen, der das Potenzial hat, die Nummer 1 zu werden und Grand-Slam-Turniere zu gewinnen", zitierte die australischen Zeitung "The Age" Carlos Moya, den Coach von Rafael Nadal und ehemaligen Weltranglisten-Ersten. Und Jim Courier, der für den TV-Sender Channel 7 die Platzinterviews führt, glaubt, dass der Australier an einem Wendepunkt seiner Karriere angelangt ist.
Kyrgios selbst sieht sich als Teil einer Gruppe junger, talentierter Landsleute. "Das australische Tennis ist momentan in ziemlich guten Händen", sagte er vor dem Beginn des Turniers. "Wir haben eine Reihe guter Mädchen und Jungs, die etwas erreichen können." Die 17-jährige Destanee Aiava wurde bereits mit Serena Williams verglichen, der 18-jährige Alex de Minaur sorgte mit dem Halbfinal- und Finaleinzug an den Turnieren in Brisbane und Sydney für Aufsehen.
Der grosse Hoffnungsträger aber bleibt Kyrgios, der letzte verbliebene Australier im Turnier. Bei seinem Sieg in der 3. Runde gegen Jo-Wilfried Tsonga hielt er den Erwartungen der Öffentlichkeit und den 15'000 Zuschauern in der Rod Laver Arena stand - vor den Augen von Laver, Tony Roche und Lleyton Hewitt. Die Aussichten sind nicht schlecht, dass sich zu ihren Büsten eher früher als später eine weitere gesellen wird - graviert mit dem Namen Nick Kyrgios. (sda)
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