Valon Behrami pur: Schwerarbeit ohne Auszeit
Für die Chefrolle ist im taktischen Konzept Granit Xhaka vorgesehen. Beim brillanten Turnierauftakt hielt sich Behrami in positiver Hinsicht nicht an das interne Drehbuch. Der Schweizer Vorarbeiter, in Russland wie die früheren Ikonen Pelé und Maradona zum vierten Mal an einer Weltmeisterschaft engagiert, zog mit seiner monumentalen Wucht alle in den Bann, als gäbe es keinen nächsten WM-Morgen mehr.
Er versteht den Fussball nicht als Kunstwerk, er ist kein Ästhet. Valon Behrami lebt andere Werte vor und steht ohne die geringste Selbstschonung für das Wohl des Kollektivs ein. Der Tessiner verkörpert pure Leidenschaft, einer noch so schmerzhaften Konfrontation würde er nie ausweichen. Seine Kraft, seine unendliche Energie bringt der 33-Jährige ungefiltert auf den Rasen.
Wie tief die Furchen seines Stils gehen, verdeutlicht das medizinische Bulletin seiner Karriere. Immer wieder streikte der Körper. Behrami muss öfter pausieren, weil er sich im Wettkampf keine Auszeit gönnt. Beim Auftakt gegen die Seleção verliess er den Schauplatz nach 70 Minuten mit Adduktorenschmerzen. Der Coach Vladimir Petkovic wechselte ihn sicherheitshalber aus: "Wir brauchen ihn in den nächsten Spielen."
Überragende Zweikampfwerte
Was Behrami bis zu seinem physisch bedingten Abgang geleistet hat, verdient höchsten Respekt. Der Mann aus dem unteren Serie-A-Tableau bearbeitete den Superstar Neymar mit einer Intensität, die dem 220-Millionen-Mann sichtlich zusetzte. Die FIFA-Statistiker bescheinigten ihm einen Weltklasse-Auftritt: In 20 Rencontres erzwang er 15 Teilsiege. Auf eine 75-prozentige Erfolgsquote kommen im schwierigen zentralen defensiven Mittelfeld in massgeblichen Partien nur die internationalen Schwergewichte.
Inzwischen kursiert eine fotografische Momentaufnahme, welche die Geschichte des Spiels ohne ein einziges Wort erzählt: Behrami, mit ausgebreiteten Armen und einem fragenden Blick, vor dem stolzen und mächtigen Antreiber der Schweizer liegt Neymar, schutzbedürftig, getroffen, verzweifelt, mit dem Ball in der Hand statt am zauberhaften Fuss.
Bei 10 von 19 Fouls war gemäss brasilianischen Beobachtern der Topskorer der Leidtragende. In den letzten 20 WM-Jahren hatte kein Spieler mehr Attacken auszuhalten. Mit dem zermürbenden Stil des Herausforderers tat sich die Nummer 10 schwer. Ihr Einfluss blieb dezent, mehr als ein paar Showeinlagen und viel Theatralik nach verlorenen Zweikämpfen hatte der Olympiasieger nicht zu bieten.
Hässliche Nachrichten
Im Gegensatz zu seinen inzwischen rund 200 Millionen "Freunden" auf den verschiedenen Social-Media-Plattformen übernahm Behrami die Rolle des unfreundlichen Followers. Dass Neymar lieber dribbelte und den Ball zu lang führte statt die Partie zu beschleunigen, spielte Behrami in die Karten. Das stählerne Schlachtross drohte den Paradiesvogel zu zertrampeln. Weit über 100'000 frustrierte Neymar-Anhänger sahen sich deswegen bemüssigt, auf Behramis Instagram-Portal teilweise bösartige Kommentare abzusondern.
Dass sich ein übriger Teil der globalen Fangemeinde hinterher primär mit der Haarprachtkreation Neymars beschäftigte und sich über die Woody-Woodpecker-Frisur lustig machte, darf Behrami durchaus als Kompliment auffassen. Dank seinem Kraftakt blieb vom Regisseur der Seleção nur das Bild der körperlich angezählten Diva in Erinnerung - mehr ausser ein paar Beschwerden über die Fouls der kompromisslosen Gegner (noch) nicht.
Noch ist ausstehend, welche Spuren übrig bleiben, wie die Beteiligten die ersten Eindrücke mental und physisch verarbeiten. Behrami weiss, wie er mit seinem ramponierten Körper umgehen muss. Bis zum Duell gegen die Serben ist mit einer Rückkehr zu rechnen. Auf Neymar hingegen kommt eine nächste Druckwelle zu - der mediale Countdown beginnt. (sda)
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