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Schweizer bewegen sich auf schmalem Grat

Die Schweiz schöpft in Portugal ihr Potenzial nicht aus und muss nun die WM-Playoffs bestreiten.
Ein nachdenklicher Schweizer Nationalcoach Vladimir Petkovic
Ein nachdenklicher Schweizer Nationalcoach Vladimir Petkovic (Bild: KEYSTONE/JEAN-CHRISTOPHE BOTT)

Trotz Steigerung in den letzten zwei Jahren bewegt sich das Team noch immer auf einem schmalen Grat.

Das Verdikt war am Ende aus Schweizer Sicht schmerzhaft deutlich. 2:0 für Portugal lautete es. Es hätte gut auch ein 3:0 sein können, vielleicht sogar ein 4:0. "Wir waren nicht auf dem Platz", sagte Stürmer Haris Seferovic, bevor er in der Nacht von Lissabon verschwand. Nationalcoach Vladimir Petkovic meinte eigentlich das Gleiche, als er sagte: "Wir haben nicht so gespielt wie in den ersten neun Spielen. Das war nicht die gewohnte Schweizer Mannschaft."

Welche Realität?

Die Schweiz ist im Estadio da Luz auf dem Boden der Realität angekommen. Doch welches ist die Realität für dieses Team? Ist es die Top-7-Klassierung im FIFA-Ranking, welche suggeriert, dass die Schweiz zum Zirkel der Schwergewichte zählt? Ist es die Serie von zehn Siegen? Sind es die 27 Punkte aus zehn Spielen in der WM-Qualifikation, welche die Schweiz statistisch hinter Weltmeister Deutschland, Spanien, Belgien und Portugal zur Nummer 5 Europas machen?

Oder ist die Realität das Spiel gegen Portugal? Eine Schweizer Mannschaft, die ihre Grenzen gesehen, die gerade in der Qualität der Offensivreihe klare Defizite im Vergleich mit dem Europameister offenbart hat. "Wir haben diesen Test nicht bestanden", sagte Granit Xhaka selbstkritisch. Spielerisch sei es ein Rückschritt gewesen, meinte Captain Stephan Lichtsteiner. "Wer aber nach einer Auswärtsniederlage gegen Portugal von einem klaren Rückschlag spricht, verkennt die Realität."

Die Schweizer schätzten ihre Leistung kritisch und objektiv ein. Sie waren selbstbewusst nach Portugal gereist. Das war richtig. Schliesslich hatten sie im Hinspiel gegen diesen Gegner vor etwas mehr als einem Jahr in Basel 2:0 gesiegt und danach neun weitere Partien gewonnen. Doch Spieler und Trainer wussten auch, dass eine Auswärtsniederlage gegen Weltfussballer Cristiano Ronaldo & Co. natürlich im Bereich des Möglichen lag.

Überhöhung von aussen

Überhöht wurde die Schweizer Mannschaft allenfalls von aussen. Zum Beispiel im letzten Sommer, als der FIFA-Computer mit seiner seltsamen Ranking-Programmierung die Schweiz als Nummer 4 der Weltrangliste ausspuckte und sich darauf einige Beobachter die Konsequenz zusammenreimten, die Schweiz müsste nun aufgrund dieser Top-4-Klassierung ein Kandidat für den WM-Halbfinal sein.

Trotzdem muss der Auftritt in Lissabon im weiteren Zusammenhang gesehen werden. Die Schweiz hatte an der EM 2016 in Frankreich dem Gastgeber ein Remis abgerungen, in den Achtelfinals einen starken Gegner wie Polen 70 Minuten lang klar dominiert und danach zum Auftakt in die WM-Qualifikation den Europameister besiegt. So gesehen war es enttäuschend, dass sie in Lissabon so unterlegen war wie nie mehr seit dem 0:2 in der EM-Ausscheidung im September 2015 in London gegen England.

Nicht nur Lichtsteiner sprach deshalb von einem Rückschritt, auch Petkovic sagte: "Wir haben einen Schritt zurück gemacht, jetzt müssen wir in den Playoffs zwei nach vorne machen." Die Gegner werden im November nicht so stark sein wie das Portugal vom Dienstag. Aber Irland, Nordirland, Schweden und Griechenland sind höher einzustufen als Ungarn, als die Färöer, Lettland und Andorra sowieso.

Es wird nötig sein, dass die Schweizer in diesen beiden Spielen wieder ihr Potenzial ausschöpfen. Denn für eine Weltmeisterschaft qualifizieren sich nur 13 europäische Mannschaften, etwa halb so viele wie für eine Europameisterschaft. Der Weg an die WM-Endrunde ist ein schmaler Grat. Teams wie die Niederlande, die Slowakei, die Ukraine oder EM-Halbfinalist Wales sind bereits abgestürzt. Der vierfache Weltmeister Italien und die von Stars geprägte Equipe Kroatiens müssen wie die Schweiz in den Playoffs zittern.

Den Weg an die WM erfolgreich zu bewältigen, ist auf dem Kontinent mit der grössten Leistungsdichte nur für ganz wenige eine Selbstverständlichkeit. Die Schweiz gehört auch im Jahr 2017 nicht zu diesem Kreis. Zumindest das ist eine sichere Realität. (sda)

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