Frankreich sucht ein System
Geht es nach dem Marktwert der Spieler, ist kein Nationaltrainer für die WM so gut gerüstet wie Didier Deschamps. Weit über eine Milliarde Franken würde es kosten, die 23 französischen WM-Teilnehmer zu verpflichten. Wenn er über seine Aufstellung sinniert, dürften Deschamps unzählige Möglichkeiten durch den Kopf gehen. Nur schon die Erstellung des 23-Mann-Aufgebots war eine Knacknuss. Hochdotierte Spieler wurden nicht berücksichtigt.
Was nach einem Luxusproblem tönt, hat sich in den letzten Jahren durchaus als wahre Schwierigkeit erwiesen. Frankreich tut sich schwer, unter Deschamps eine Identität zu finden. Der 49-Jährige aus dem französischen Baskenland ist ein Pragmatiker. Wie schon zu seiner Aktivzeit, als er ohne zu brillieren, aber sehr effektiv für Ordnung im Mittelfeld sorgte, interessiert ihn nur der Erfolg. Einem System oder einem Ideal ist er nicht verpflichtet.
Nun hat Deschamps speziell seit der EM vor zwei Jahren so viel Auswahl, dass er sich nicht festlegen kann. Es ist ihm anzumerken, dass er gern die Talentiertesten zusammen auftreten lassen würde. Immer wieder in den letzten Monaten hat er diesen Versuch gewagt, zuletzt gegen Australien, als das 4-3-3 vom Sturmtrio mit Kylian Mbappé, Antoine Griezmann und Ousmane Dembélé angeführt wurde. Die Leistung war trotz des 2:1-Sieges ernüchternd. Deschamps soll nach der Partie mit seinen Spielern, insbesondere mit den Stürmern, hart ins Gericht gegangen sein.
Bei den Worten wird es nicht bleiben. Alles deutet darauf hin, dass am Donnerstag gegen Peru wieder ein neues System herhalten muss, das dritte in den letzten drei Partien. Auf das 4-4-2 und das 4-3-3 soll nun das 4-2-3-1 folgen. Man kann nun die Änderungen als reine Zahlenspiele abtun, aber sie sind auf jeden Fall Ausdruck einer gewissen Ratlosigkeit. Deschamps ist auch im sechsten Jahr als Nationaltrainer noch ein Suchender. Frankreich hat das Gleichgewicht noch immer nicht gefunden und schwankt in seinen Leistungen zwischen formidabel und miserabel - oder in der WM-Qualifikation zwischen 4:0 gegen die Niederlande und 0:0 gegen Luxemburg.
Der Schatten von Zidane
Dass verschiedene Systeme mit unterschiedlichen Spielern trainiert werden müssen, liegt auf der Hand. Dass dadurch Zeit für anderes verloren geht ebenfalls. Gemäss "L'Equipe" hat sich ein Spieler bei der Nachbesprechung der Partie gegen Australien in ruhigem Ton beschwert, dass das Pressing in jener Konstellation nicht genügend oft geübt worden war. Die Franzosen hinterliessen gegen Australien einen seltsam orientierungslosen Eindruck. So, als wüssten sie nicht recht, was eigentlich von ihnen verlangt wurde.
Wenn alles gut läuft, dann rollt die französische Maschine, dann brillieren die Talente. Wenn nicht, kommt das Ganze arg ins Stocken. Systeme sind eine Art Auffangnetz, Leitplanken, an denen man sich vor allem in der Not orientieren kann. In den französischen Medien werden die Stimmen lauter, die vom "Sélectionneur" verlangen, er solle endlich einer Spielweise seinen Glauben schenken. Bis auf Weiteres wird die Suche von Deschamps aber weitergehen. Gegen Peru dürften heute Blaise Matuidi und Olivier Giroud ins Team zurückkehren - für Corentin Tolisso und Dembélé.
Deschamps' Stuhl wackelt noch nicht. Für ihn sprechen die Resultate, 48 Siege in 77 Partien, der WM-Viertelfinal 2014 und der EM-Final 2016. Bleiben die guten Ergebnisse aber aus, dann wird der Nationalcoach wenig Unterstützung erfahren. Zumal mit Zinédine Zidane ein potenzieller Nachfolger verfügbar ist, dem zugetraut wird, aus den vielen Möglichkeiten ein grosses Ganzes zu bilden. (sda)
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