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Duell der Generationen

Für Kroatien ist die WM die letzte Chance für eine grossartige, aber ungekrönte Generation. Für Halbfinal-Gegner England wäre ein Triumph in Russland der perfekte Start in eine glorreiche Zukunft.
Auf sie wird es gegen England wieder ankommen: Kroatiens Antreiber im Mittelfeld, Ivan Rakitic (links) und Luka Modric (rechts)
Auf sie wird es gegen England wieder ankommen: Kroatiens Antreiber im Mittelfeld, Ivan Rakitic (links) und Luka Modric (rechts) (Bild: KEYSTONE/EPA/FRANCK ROBICHON)

Am 21. November 2007 erlitten Englands Fussballer die bitterste Niederlage der letzten 20 Jahre. Sie verloren im Wembley gegen Kroatien 2:3 und verpassten die EM-Endrunde im Sommer darauf in der Schweiz und Österreich. Das Siegestor für Kroatien schoss der Aargauer Mladen Petric. Aus heutiger Sicht ist aber dies interessant: Auf der Bank sass Ivan Rakitic, ein damals 20-Jähriger aus Möhlin, der sich wenige Wochen zuvor entschied, statt für die Schweiz für Kroatien zu spielen. Und im Mittelfeld zog Luka Modric die Fäden. Er war 22 Jahre alt an diesem nassen Abend im Spätherbst 2007.

Den Triumph im Wembley sehen sie in Kroatien als die Geburtsstunde der "Generation Modric". Etwas mehr als zehn Jahre später ist in Russland die Chance da, dass diese Generation endlich den Coup landet, der ihr vom Talent her immer zugetraut wurde, den sie aber stets verpasst hat. Für die WM 2010 qualifizierte sich Kroatien nicht, an der EM 2012 und an der WM 2014 schied man in der Vorrunde aus. An der EM 2016 war in den Achtelfinals Schluss.

Oftmals wurden die Kroaten Opfer ihrer Launen. Entweder man startete schlecht ins Turnier und fand darauf nicht aus der Depression. Oder man spielte sich beschwingt durch die Gruppenspiele und scheiterte dann in der K.o.-Phase am ersten Gegner. Hochmut kam immer vor dem Fall. Wie an der EM 2008 gegen die Türkei oder vor zwei Jahren gegen Portugal.

Kroatien wankte, fiel aber nicht

Wenn der frühere Nationaltrainer Otto Baric sagt, der Schlüssel für die bislang gute WM liege in der "sehr guten Stimmung zwischen Trainer und Spielern. Alle glauben fest daran, dass sie etwas Grosses schaffen können", offenbart dies eine neue Stärke der kroatischen Fussballer: Der gemeinsame Wille, Hürden zu überspringen. Denn auch in Russland stellte sich das bekannt Muster ein. Nach der tollen Vorrunde fingen die Probleme an. Doch auch wenn die Leistungen im Achtel- und Viertelfinal nicht mehr stimmten, setzte sich Kroatien gegen Dänemark und Russland eben doch durch.

Letztlich haben die Spieler von Trainer Zlatko Dalic auch ihre Routine in die Waagschale werfen können. Denn davon haben sie mehr als jeder andere Turnierteilnehmer. Allein die Achse mit Torhüter Danijel Subasic, Abwehrchef Dejan Lovren, den Mittelfeldspielern Modric und Rakitic sowie Mittelstürmer Mario Mandzukic kommt zusammen auf 226 Champions-League-Spiele, 8 Champions-League-Finalteilnahmen und 7 Europacup-Titel. Wie viel Erfahrung das kroatische Team besitzt, zeigt ein Blick auf die Startformation im Viertelfinal gegen Russland. Sechs Spieler waren älter als 30-jährige, nur einer war jünger als 25.

Southgates Ruhe

Damit wäre man beim Team, das für den Gegensatz steht. Die Engländer hatten nämlich gegen Schweden nur einen Spieler mit mehr als 30 Jahren auf dem Buckel. Dafür waren sieben Akteure 25 oder jünger. Im Gegensatz zu den Kroaten haben sie die Zukunft noch vor sich. In der Gegenwart ist ihr Leistungsvermögen aber noch immer schwer einzustufen - trotz des ersten Vorrückens in den WM-Halbfinal seit 1990. Ein Top-Team mussten die Engländer auf dem Weg unter die letzten vier nicht aus dem Weg räumen. Tunesien wurde erst dank eines Treffers in der Nachspielzeit geschlagen, Panama war als schwächster WM-Teilnehmer kein Gradmesser, gegen Kolumbien brauchte es ein Penaltyschiessen und gegen Schweden genügte eine solide Vorstellung.

Auch wenn die Erwartungen nun plötzlich sehr hoch - vielleicht zu hoch - sind, bleibt Trainer Gareth Southgate ruhig. "Keiner von uns steht besonders unter Strom", versicherte der 47-Jährige. Wie viele seiner Spieler ist auch Southgate ein eher unerfahrener WM-Teilnehmer. Bevor er im Herbst 2016 die Nationalmannschaft übernahm, trainierte er die U21 von England. Als Klubtrainer war er erst einmal tätig, zwischen 2006 und 2009 bei Middlesbrough.

Dieses Engagement beim mittelgrossen Verein aus dem Norden Englands hängt im Übrigen irgendwie auch mit dieser englischen Niederlage vor knapp elf Jahren zusammen. Southgate wurde im Sommer 2006 bei Middlesbrough Nachfolger von Steve McClaren, der zum Nationaltrainer Englands aufstieg - und dann am 21. November 2007 das 2:3 gegen Kroatien zu verantworten hatte. (sda)

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