Nationalrat bremst Bundesrat bei Waffen
Der Nationalrat hiess den Vorstoss mit 97 zu 82 Stimmen bei 11 Enthaltungen gut. Damit bleibt offen, ob die geltenden Bestimmungen gelockert werden. Der Entscheid liegt in den Händen des Parlaments, sofern der Ständerat dem Nationalrat folgt.
Der Bundesrat möchte die Bestimmungen lockern: Neu sollen Exporte in Bürgerkriegsländer bewilligt werden können, wenn kein Grund zur Annahme besteht, dass das Kriegsmaterial im internen Konflikt eingesetzt wird.
Im Nationalrat erntete er dafür viel Kritik. Der Bundesrat gefährde die humanitäre Tradition und die Neutralität der Schweiz, hiess es auf der linken Seite und in der Mitte. Für eine Lockerung plädierten die Redner der SVP und der FDP. Eine einheimische Rüstungsindustrie stärke die nationale Sicherheit, argumentierten sie.
"Niemand will Kriege anheizen"
Martin Landolt (BDP/GL) betonte, auch die BDP wolle keine Deindustrialisierung. Aber kein verantwortungsvolles Unternehmen, keine verantwortungsvolle Regierung und kein verantwortungsvolles Parlament löse unternehmerische Herausforderungen mit dem Export von Waffen in Bürgerkriegsländer.
Die SVP warf der BDP Populismus vor. "Niemand will Kriege anheizen oder die humanitäre Tradition gefährden", sagte Werner Salzmann (SVP/BE). Zur Debatte stehe etwa die Lieferung von Raketenabwehrsystemen an Thailand. Solches könne sogar Leben retten. Der Bundesrat wolle lediglich eine Ausnahmeregelung erlassen, die Gesuche würden weiterhin sorgfältig geprüft.
Erst das Fressen, dann die Moral?
Auch Walter Müller (FDP/SG) befand, in der Debatte fehle es an Sachlichkeit. Wenn man die geplante Änderung genau studiere, relativiere sie sich. Neutralität, völkerrechtliche Verpflichtungen und Rüstungsembargos müssten weiterhin zwingend eingehalten werden.
Die Mehrheit der CVP sieht das anders - zumindest im Nationalrat. Sie bekämpfe die geplante Lockerung, sagte Nicolo Paganini (CVP/SG). Die Frage sei, ob die Schweiz der Devise folgen wolle "erst kommt das Fressen, dann die Moral". Paganini warnte vor einem Reputationsschaden. Auf eine Frage von Fabian Molina (SP/ZH) räumte er aber ein, dass die CVP-Vertreter im Ständerat die Sache anders beurteilten. Sie gewichteten die Arbeitsplätze in den Regionen höher.
Frieden statt Krieg exportieren
SP, Grüne, Grünliberale und BDP kritisierten den Bundesrat scharf. Balthasar Glättli (Grüne/ZH) stellte fest, die Regierung breche das Versprechen, das sie vor der Abstimmung über das Verbot von Kriegsmaterialexporten gegeben habe.
Der Widerstand werde von vielen als "Gutmenschelei" betrachtet. Wenn die Schweiz die Waffen nicht liefere, lieferten sie andere, heisse es. "Das stimmt", sagte Glättli. Andere Länder könnten auch Waffen liefern. Aber die Schweiz als neutrales Land könne viel mehr: "Wir können Frieden exportieren statt Krieg." Die Schweiz könne Konflikte schlichten und als glaubwürdige Vermittlerin auftreten.
Humanitäre Tradition vor Profit
Die SP-Fraktion stelle sich dezidiert gegen jegliche Aufweichung der Kriebsmaterialverordnung, sagte Priska Seiler Graf (SP/ZH). Eine Lockerung würde die Glaubwürdigkeit der Schweizer Aussenpolitik untergraben. Die humanitäre Tradition müsse zwingend vor Profitinteressen kommen.
So etwas wie "defensive Waffen" gebe es nicht, stellte Seiler Graf fest. Schon heute könne nicht verhindert werden, dass Waffen in Bürgerkriegsländern landeten. Das habe der Bericht der Eidgenössischen Finanzkontrolle gezeigt. Die SP-Nationalrätin riet Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann, im Sinne einer guten Tat zum Schluss seiner Amtszeit auf die Lockerung zu verzichten.
"Ich will auch der good guy sein"
Schneider-Ammann sagte am Ende der Debatte, er habe noch nie so viele Bürgerbriefe erhalten wie zu diesem Thema. "Ich will auch der good guy sein", sagte er zu SP-Nationalrätin Jacqueline Badran (SP/ZH). "Das können Sie nicht für sich pachten." Mit Blick auf seinen am Vortag angekündigten Rücktritt ergänzte er: "Noch drei Monate, dann haben Sie's überlebt und ich auch."
Der Bundesrat treffe keine leichtfertigen Entscheide, versicherte Schneider-Ammann. Er wolle aber auch Arbeitsplätze erhalten und die Sicherheitsinteressen der Schweiz berücksichtigen. Die Schweiz hätte nach der Änderung immer noch strengere Bestimmungen als alle anderen europäischen Länder. (sda)
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