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Juncker deutet Bewegung in Asylpolitik an

Im Dauerstreit über die Verteilung von Flüchtlingen in Europa hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker einen Kurswechsel angedeutet. Beim EU-Gipfel in Salzburg rückte er von der Haltung ab, dass alle Mitgliedsstaaten zumindest einige Menschen aufnehmen müssten.
Der österreichische Kanzler und EU-Ratsvorsitzende Sebastian Kurz vor den Medien bei seiner Ankunft beim EU-Gipfel am Mittwochabend in Salzburg.
Der österreichische Kanzler und EU-Ratsvorsitzende Sebastian Kurz vor den Medien bei seiner Ankunft beim EU-Gipfel am Mittwochabend in Salzburg. (Bild: Keystone/AP/KERSTIN JOENSSON)

Staaten, die dies nicht könnten oder wollten, "müssen sich in Sachen Solidarität bewegen", sagte Juncker am Mittwochabend. Das könnte Bewegung in den EU-Streit bringen, wäre aber auch eine Abkehr von der langjährigen Linie der deutschen Kanzlerin Angela Merkel.

Merkel äusserte sich in Salzburg zunächst nicht zu der Flüchtlingsverteilung, sondern sprach sich erneut für einen besseren Schutz der EU-Aussengrenzen aus und begrüsste die geplante engere Zusammenarbeit mit nordafrikanischen Staaten. Der Migrationsstreit ist eines der beherrschenden Themen bei dem zweitägigen informellen Gipfel in der österreichischen Stadt. Das zweite Topthema sind die Verhandlungen über den EU-Austritt Grossbritanniens, die ebenfalls völlig verhakt sind.

Merkel warb für einen Brexit "in guter Atmosphäre" und in "grossem Respekt vor einander". In einigen Punkten sei eine gute Zusammenarbeit möglich, etwa bei der inneren und äusseren Sicherheit. Ähnlich hatte sich zuvor auch EU-Ratspräsident Donald Tusk geäussert. Allerdings stellte er auch klar, dass die britischen Vorschläge für eine künftige Wirtschafts- und Zollpartnerschaft mit der EU nicht akzeptabel seien. Diese müssten überarbeitet werden, forderte Tusk.

May verteidigt Brexit-Vorschläge

Darauf gab die britische Premierministerin Theresa May sofort Kontra. Ihre Brexit-Vorschläge seien "der einzige glaubwürdige und verhandelbare Plan auf dem Tisch, der eine harte Grenze in Nordirland vermeidet und auch dem Willen des britischen Volks entspricht", sagte May in Salzburg. Grossbritannien habe seine Position weiterentwickelt, nun müsse die EU dies auch tun.

Damit beharren sowohl Grossbritannien als auch die EU auf der Forderung, die jeweils andere Seite müsse sich bewegen. Nur bei der Streitfrage, wie eine harte Grenze zwischen dem EU-Staat Irland und Nordirland vermieden werden kann, hatte die EU zuletzt Nachbesserungen angekündigt. Ob und wie dies London überzeugen kann, ist unklar. May begrüsste zumindest die Ankündigung.

Inzwischen wird die Zeit für die Brexit-Verhandlungen extrem knapp: Eigentlich sollte bis Mitte Oktober ein Vertrag stehen, der den für 2019 geplanten Austritt regelt und einen chaotischen Bruch vermeidet. Tusk und auch der österreichische EU-Ratsvorsitzende Sebastian Kurz sprachen sich dafür aus, mehr Zeit zu lassen und einen Brexit-Sondergipfel Mitte November einzuberufen.

Auch beim zweiten grossen Streitthema Migration ist unklar, ob die seit Jahren vertieften Gräben zwischen den EU-Staaten letztlich überbrückt werden können. Österreichs Kanzler Kurz betonte, es sei ja schon viel erreicht worden. Seine Vorschläge einer stärkeren Aussengrenzensicherung und eines Kampfs gegen illegale Schlepper, die vor drei Jahren noch als rechts oder rechtsradikal abgestempelt worden seien, würden inzwischen in der EU umgesetzt.

Mehr Zusammenarbeit mit Nordafrika

Ratschef Tusk kündigte eine stärkere Zusammenarbeit mit nordafrikanischen Ländern wie Ägypten an. Er werde einen gemeinsamen Sondergipfel mit der Arabischen Liga im Februar vorschlagen. Zugleich rief er die EU-Staaten dazu auf, die Schuldzuweisungen in Sachen Migration zu beenden und zu einer konstruktiven Zusammenarbeit zurückzukehren: "Trotz der aggressiven Rhetorik bewegen die Dinge sich in die richtige Richtung."

Zum geplanten Ausbau der EU-Grenzschutzagentur Frontex sagte Kurz, die Umsetzung werde wesentlich von der Definition des Mandats der Agentur abhängen. Einige Staaten hatten sich zuletzt besorgt gezeigt, womöglich die Hoheit über Einsatzkräfte auf eigenem Staatsgebiet zu verlieren. Die EU-Kommission hatte vergangene Woche vorgeschlagen, Frontex bis 2020 auf 10'000 Einsatzkräfte auszubauen und das Mandat deutlich auszuweiten. Darüber wollten die Staatsspitzen in Salzburg am Donnerstag beraten. (sda/dpa)

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