Passt Chatrian an die Berlinale?
Wenn die Berufsbezeichnung "Cineast" auf einen Mann passt, dann auf Carlo Chatrian. Der gebürtige Italiener ist seit 2012 künstlerischer Leiter des Filmfestivals in Locarno. Jetzt soll der 46-Jährige der Nachfolger von Berlinale-Chef Dieter Kosslick (70) werden.
Die Personalie ist durchgesickert - offiziell bestätigt ist sie noch nicht. Es könnte gut sein, dass Chatrian Teil einer Doppelspitze wird - gemeinsam mit einer Frau. Am Freitag will die Findungskommission die Lösung für das Festival vorstellen, das neben Cannes und Venedig zu den wichtigsten weltweit gehört.
Ob als Journalist oder Programmverantwortlicher für Retrospektiven: Chatrians Karriere hat viele Facetten. Er wurde im norditalienischen Turin geboren und studierte dort Literatur und Philosophie. Seit den 90er Jahren arbeitete er als Filmkritiker. Er hat Bücher und Essays über Kinogrössen wie Errol Morris und Wong Kar-Wai geschrieben und war Lehrbeauftragter.
Heimatverbunden: Wohnt immer noch in Italien
Noch im Juli 2017 zitierte ihn die "Zeit" in einem Porträt mit den Worten: "Die Berlinale ist ein grossartiges Festival mit viel Potenzial, aber ich glaube nicht, dass ich dafür geeignet bin, zumal ich ja kein Deutsch spreche."
Den Alltag eines Festivalchefs kennt Chatrian gut: Bis zu zwölf Festivals besucht er für Locarno im Jahr, er sichtet Hunderte Filme. Der dreifache Familienvater spricht ein Englisch mit kräftigem italienischen Akzent. Und er soll noch immer in seiner Heimat, einem Bergdorf im Aostatal, wohnen. Chatrian sei kein Typ, den es in die Öffentlichkeit ziehe. O-Ton: "Mein Job ist es, die Filmemacher vor mich zu stellen."
Das Publikum überraschen - aber nicht allzu sehr
Wie sein Kurs an der Berlinale-Spitze werden könnte, zeigt auch ein Interview, das er als Locarno-Verantwortlicher der "Neuen Zürcher Zeitung" gab: "Für mich stehen immer noch die Filme im Mittelpunkt, aber ich denke, heutzutage können Festivals nicht einfach nur Filme projizieren. Man muss etwas drumherum bieten."
Für Locarno sah er es nicht als seine Pflicht, im Wettbewerb die Art von Filmen zu zeigen, die das Publikum bereits kenne. "Das Programm sollte das Publikum überraschen, was nicht heisst, dass ich ihm einen Faustschlag versetzen möchte." Er habe von Anfang an gesagt, dass das Festival keine grosse Veränderung brauche.
Jetzt wird die Frage sein, ob dieser Kurs auch für Berlin gilt und wie er Deutschlands grösstes Filmfestival prägen wird. (sda/dpa)
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