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Umstrittene Justizreform in Polen

Das polnische Parlament stimmt für eine umstrittene Justizreform. Die Opposition warnt vor dem Ende der Gewaltenteilung. Der Europarat spricht von einer "ernstzunehmenden Gefahr" für die Unabhängigkeit der Gerichte.
"Freie Gerichte" steht auf einem Zettel an einem Abgeordneten-Platz im polnischen Unterhaus.
"Freie Gerichte" steht auf einem Zettel an einem Abgeordneten-Platz im polnischen Unterhaus. (Bild: KEYSTONE/EPA PAP/BARTLOMIEJ ZBOROWSKI)

Das polnische Unterhaus billigte am Freitag zwei von Präsident Andrzej Duda vorgelegte Gesetzentwürfe zur Justizreform. Abgeordnete der Opposition und der grösste Richterbund des Landers, Iustitia, warfen der nationalkonservativen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) vor, die Justiz unter ihre Kontrolle bringen zu wollen.

Grzegorz Schetyna, der Chef der Oppositionspartei PO, kritisierte das Votum als "beschämend und schändlich". Er rief den Präsidenten dazu auf, ein Veto gegen die beiden Gesetze einzulegen.

Der Richterbund verkündete nach der hitzigen Sitzung im Sejm, er werde "die Menschenrechte bis zum letzten unabhängigen Richter verteidigen. In Warschau und anderen Städten kam es zu kleineren spontanen Protesten.

"Ernsthafte Gefahr für Justiz"

Die sogenannte Venedig-Kommission, die die Staaten des Europarates verfassungsrechtlich berät, veröffentlichte am Freitag eine Stellungnahme, in der sie warnte, dass die Reform die Unabhängigkeit der polnischen Justiz "einer ernsthaften Gefahr" aussetze. Die Änderungen des Präsidenten hätten nur "sehr begrenzte Verbesserungen" gegenüber den ursprünglichen Entwürfen gebracht.

Bereits im Juli hatte die PiS drei Gesetze durchs Parlament gebracht, die das Justizsystem reformieren sollten. Präsident Duda stoppte nach Protesten im ganzen Land zwei der drei Gesetze per Veto, weil er Zweifel an deren Verfassungsmässigkeit hatte. Doch auch seine Gegenentwürfe, über die am Freitag abgestimmt wurde, stellten Rechtsexperten und Opposition nicht zufrieden.

Richter überwachen

Einer der beiden Gesetzesentwürfe betrifft den Obersten Gerichtshof. Er soll eine Disziplinarkammer bekommen, die über die Arbeit der Richter im Lande wacht. Kritiker befürchten, dass diese missbraucht werden könnte, um unliebsame Richter einzuschüchtern.

Auch die Venedig-Kommission äusserte Bedenken: Das Gesetz gebe den Richtern dieser Kammer Sonderbefugnisse, die sie weit über andere Richter stelle. Kritisiert wird auch die Absenkung des Rentenalters für die Richter am Obersten Gericht von 70 auf 65 Jahre. Die Massnahme diene der PiS dazu, die Kader auszutauschen, so die Opposition.

Das zweite Gesetz betrifft den Landesjustizrat (KRS), der für die Ernennung der Richter fast aller Gerichte im Land verantwortlich ist. Das Gesetz sieht vor, dass die Richter dieser Kammer vom Parlament gewählt werden, statt wie bisher von der Richterschaft selbst. Die Venedig-Kommission warnte vor einer "weitreichenden Politisierung der Kammer".

Die Kommission veröffentlichte heute eine weitere Stellungnahme, in der sie empfahl, das Amt des Generalstaatsanwaltes und des Justizministers wieder zu trennen. Die beiden Ämter hatte die polnische Regierung 2016 zusammengelegt.

Strafmassnahmen der EU

Die Sorge vor staatlichem Einfluss auf Polens Gerichte treibt auch die EU-Kommission weiter um. Dudas Gesetze würden nicht den EU-Standards entsprechen, hatte Vize-Kommissionspräsident Frans Timmermans nach vorläufiger Prüfung der Reformen gesagt.

Wegen umstrittener Veränderungen des polnischen Justizsystems hatte Brüssel bereits 2016 ein allgemeines Verfahren zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit eingeleitet. Diese Untersuchung führte bislang zu keinem befriedigenden Ergebnis.

Zuletzt drohte die EU-Kommission die Einleitung eines weiteren Verfahrens an, durch das Polen sogar bei Abstimmungen im EU-Ministerrat sein Stimmrecht verlieren kann.

Beide Gesetze müssen noch von der zweiten Kammer des Parlaments, dem Senat, angenommen und vom Präsidenten unterschrieben werden. Beides gilt als sehr wahrscheinlich. (sda/dpa)

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